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Authentisch sein: Warum das Erlernen neuer Verhaltensweisen und Authentizität Hand in Hand gehen

1. Juni 2024

«Nur wer sich ändert, bleibt sich treu.»
Wolf Biermann

Klingt paradox? Doch der Liedermacher Wolf Biermann hat Recht. Wenn man immer nur dasselbe tut, wird man irgendwann nicht mehr sich selbst sein, weil die Welt sich weiterentwickelt hat und man selbst stehen geblieben bist. Veränderung ermöglicht es uns, relevant und authentisch zu bleiben.

In meinen Management- und Sales-Trainings erlebe ich häufig eine zentrale Herausforderung: Angesprochen auf ihre Wünsche und Erwartungen im Training äussern nicht wenige Teilnehmerinnen und Teilnehmer, dass sie authentisch bleiben möchten. Sie scheuen sich davor, z.B. mit Hilfe von Praxissimulationen an ihrem Verhalten in der spezifischen Rolle als Führungskraft oder Sales-Spezialist zu arbeiten und dieses nach dem Training in ihrer Praxis anzuwenden. Authentizität ist ein wertvolles Gut, das niemand aufgeben sollte. Doch was viele im Kontext Training nicht gleich erkennen, ist, dass Authentizität und das Ausprobieren und Anwenden neuer Verhaltensweisen sich nicht ausschliessen. Im Gegenteil – sie können sich gegenseitig bereichern und verstärken.

Authentizität: Was bedeutet das wirklich?

Viele streben danach, sie selbst zu sein. Aber was ist das wahre Ich? Wie wird oder bleibt man authentisch? Authentizität wird oft als das Festhalten an dem beschrieben, was als das "wahre Selbst" wahrgenommen wird. Es bedeutet, ehrlich zu sich selbst und anderen zu sein, und nicht eine Fassade aufzubauen. Seit gut einem halben Jahrhundert beschäftigt sich die Psychologie mit Authentizität. Abraham Maslow oder Carl Rogers begründeten die humanistische Psychologie, die sich dem Selbst und dessen Verwirklichung verschrieb. «Sei authentisch» ist seither die Aufforderung an den modernen Menschen, «sei einfach du selbst».

Menschen sind umso authentischer, je mehr Zugang sie zu sich selbst haben. Sie wählen beispielsweise Berufe, die zu ihnen passen und müssen sich nicht verbiegen oder verstellen. Doch Authentizität ist keine starre Grösse. Unser „wahres Selbst“ entwickelt sich ständig weiter und wird durch unsere Erfahrungen, Interaktionen und Reflexionen geformt. So können wir mit der Zeit durchaus in neue Rollen, wie in eine Führungs- oder Sales-Rolle hineinwachsen, ohne dass es sich unecht anfühlt.

Neue Verhaltensweisen: Eine Chance zur Selbstentfaltung

Stellen Sie sich vor, Sie nehmen eine neue berufliche Rolle an – sei es, Sie werden aus einer fachlichen Rolle in die der Teamleitung hineinbefördert. Oder Sie müssen sich als hochqualifizierte Fachperson neu auch um die Gewinnung von Kundschaft kümmern. Diese Rollen bringen ungewohnte Herausforderungen und Erwartungen mit sich. Es wäre naiv zu glauben, dass wir diese neuen Aufgaben mit exakt denselben Verhaltensmustern angehen können, die uns in unseren bisherigen Positionen erfolgreich gemacht haben. Stattdessen bietet die Auseinandersetzung mit neuen Verhaltensweisen eine wertvolle Gelegenheit zur Selbstentfaltung und -entwicklung.

Authentisch bleiben durch bewusstes Handeln

Wie kann man also neue Verhaltensweisen ausprobieren und dennoch authentisch bleiben? Der Schlüssel liegt in der bewussten Reflexion und Integration. Denn in verschiedenen Situationen können wir ganz unterschiedliche Teile unseres Selbst betonen. Manche Situationen und manche Gesprächspartner bringen andere Teile des Ichs zum Vorschein als andere.

Hier sind einige Schritte, die Ihnen helfen können, beim Ausprobieren neuer Verhaltensweisen authentisch zu bleiben:

  1. Selbstreflexion: Beginnen Sie mit einer ehrlichen Bestandsaufnahme Ihrer Werte, Überzeugungen und Verhaltensweisen. Fragen Sie sich, was Ihnen wirklich wichtig ist und warum. Diese Klarheit bildet die Grundlage für authentisches Handeln in den jeweiligen beruflichen Kontexten. Was für eine Führungskraft will ich sein? Was für eine Geschäftspartnerin oder was für ein Verhandlungspartner will ich sein?

  2. Offenheit für Neues: Sehen Sie neue Verhaltensweisen, die Sie ausprobieren, nicht als Verrat an Ihrem wahren Selbst, sondern als Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln und andere Teile Ihres Ichs zum Vorschein zu bringen. Probieren Sie bewusst neue Ansätze aus und beobachten Sie, wie sie sich anfühlen und welche Reaktionen sie hervorrufen.

  3. Feedback einholen: Bitten Sie vertrauenswürdige Kolleginnen und Kollegen, Coaches oder Mentoren um Rückmeldung. Sie können Ihnen wertvolle Perspektiven bieten, die Ihnen helfen, Ihr Verhalten weiter anzupassen und gleichzeitig authentisch zu bleiben.

  4. Integration: Nehmen Sie sich Zeit, um neue Verhaltensweisen zu integrieren. Dies bedeutet nicht, dass Sie sich von heute auf morgen ändern müssen. Vielmehr geht es darum, diejenigen Elemente, die zu Ihnen passen und mit denen Sie positive Erfahrungen machen, schrittweise in Ihr gewohntes Verhaltensrepertoire zu übernehmen.

Beispiele aus der Praxis

Eine Führungskraft, die bisher stark auf Kontrolle und detaillierte Anleitung gesetzt hat, könnte lernen, mehr Verantwortung zu delegieren und Vertrauen in ihr Team zu entwickeln. Anfangs mag dies ungewohnt sein, doch mit der Zeit kann sie feststellen, dass diese Veränderung nicht nur effektiver ist, sondern auch ihrer authentischen Überzeugung entspricht, das Beste in ihren Mitarbeitern zu fördern.

Ein Berater, der sich bisher stark auf fachliche Details konzentriert hat, könnte lernen, emotionalere und persönlichere Salesgespräche zu führen. Dies kann anfangs eine Herausforderung darstellen, doch wenn er erkennt, dass echte Verbindungen und Beziehungen der Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg sind, wird dies zu einem integralen Bestandteil seiner authentischen Verkaufsstrategie.

Fazit

Authentizität bedeutet nicht, in alten Mustern verhaftet zu bleiben. Vielmehr geht es darum, sich selbst treu zu bleiben, während man sich kontinuierlich weiterentwickelt und an neue Herausforderungen anpasst. Indem wir neue Verhaltensweisen ausprobieren und reflektiert in unser Repertoire aufnehmen, können wir authentisch bleiben und gleichzeitig effektiver und erfolgreicher agieren. In meinen Trainings für Management und Verkauf ermutige ich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen, diese Balance zu finden und sich mutig auf den Weg der persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung zu begeben.

Schlussgedanken

Authentizität und die Bereitschaft, neue Verhaltensweisen zu erlernen, sind keine Gegensätze, sondern zwei Seiten derselben Medaille. Durch bewusste Reflexion und schrittweise Integration neuer Ansätze können Sie Ihre Authentizität bewahren und gleichzeitig wachsen. Trauen Sie sich, über den Tellerrand hinauszuschauen und entdecken Sie neue Facetten Ihres authentischen Selbst.