Zum konstruktiven Umgang mit Unterschieden
«Bei gleicher Umgebung lebt doch jeder in einer anderen Welt.»
Arthur Schopenhauer
Wo Menschen zusammenarbeiten, treffen verschiedene Meinungen, Bedürfnisse und Interessen aufeinander. Konflikte sind daher eine normale Begleiterscheinung. In diesem Beitrag zeige ich auf, wie man Konflikte konstruktiv und eigeninitiativ angehen kann, ohne sie zu vermeiden oder eskalieren zu lassen, und wie man ihnen vorbeugen kann.
Unterschiedliche Normalitäten
Wir alle haben unsere eigene Logik und Normalität, was zu vielfältigen Andersartigkeiten und Unterschieden in der Wahrnehmung führt. Diese Vielfalt kann Widerstand und Konflikte auslösen, was völlig normal ist. Wichtig ist, wie wir damit umgehen, insbesondere auch in hierarchischen Systemen. Sollen wir uns unterwerfen oder auf Augenhöhe mitgestalten und die notwendigen Konflikte austragen?
Es gibt keine normale Normalität
Jeder Mensch gestaltet seine Welt nach eigenen Vorstellungen. Was für den einen normal ist, kann für den anderen deplatziert wirken. Die Herausforderung besteht darin, verschiedene Normalitäten zu akzeptieren und synchron zu denken. Theoretisch zu verstehen, dass es verschiedene Logiken gibt, ist einfach. Im Alltag jedoch nicht ausschliesslich auf die eigene Logik zu setzen, kann herausfordernd sein. Jeder handelt aus seiner Sicht vernünftig. Unterschiedliche, gleichwertige Logiken können beängstigend oder bereichernd sein.
Kooperation durch Verständnis
Um effektiv zu kooperieren, müssen wir versuchen, die Welt der anderen zu verstehen. Diese Erkenntnis kann zu Kooperation führen, aber auch zu Konflikten oder Isolation. Dies gilt für private, wirtschaftliche und gesellschaftliche Bereiche. Der Umgang mit Andersartigkeit erfordert einige Überlegungen: Nebeneinander, Miteinander oder Gegeneinander? Bei Begegnungen mit Unbekannten sollte man sich Zeit nehmen und Grenzen bedenken. Bei ernsthaften Problemen muss nicht gleich eine Trennung erfolgen. Ein Nebeneinander kann helfen, Abstand zu gewinnen und in Ruhe über Lösungen nachzudenken. Ein flexibles Kontaktsystem kann oft besser sein als sofortige Feindschaft.
Konflikte sind nichts Negatives
Immer wieder sind wir aufgefordert, uns mit Andersdenkenden zu arrangieren, da wir oft einander zu nahe sind, um uns dauerhaft aus dem Weg zu gehen. Es ist ratsam, die Interessen und Denkweisen der anderen zu erkunden und bei ähnlichen Herausforderungen den ersten Schritt zu machen. Konflikte sind normal, wenn Menschen kooperieren. Unterschiedliche Meinungen führen zu Spannungen, die von Emotionen überlagert werden können. Offene Kommunikation von Anfang an kann helfen, Konflikte zu lösen, bevor sie zu grösseren Problemen werden.
Ein erster Schritt ist zu erkennen, dass Kritik, Streit und Konflikte nicht negativ sind, sondern Voraussetzung für gemeinsamen Erfolg. Eine konstruktive Streitkultur fördert den Dialog und die Partnerschaft. Direkte Kommunikation und das Offenlegen von Verletzungen reduzieren den Druck der Emotionen und den Konflikt auf seinen Ursprung. Widerstand ist eine normale Reaktion, wenn man seine Interessen bedroht sieht. Auch hier ist es wichtig, Widerständler ernst zu nehmen und deren Beweggründe zu verstehen, um in den Dialog zu treten.
Vorbeugen ist besser als Heilen
Effektive Methoden des Konfliktmanagements sind unerlässlich. Doch die meisten Konflikte hätten gar nicht so eskalieren müssen, dass aufwendige Massnahmen zu ihrer Lösung erforderlich werden, wenn die Beteiligten rechtzeitig unterschiedliche Interessen erkannt und angesprochen hätten. Was für die Gesundheitsvorsorge gilt, ist auch im Management wichtig: Vorbeugung ist besser als Behandlung.
Hier ein erster bewährter Praxistipp zur Konflikt-Prävention: Am Ende jeder relevanten Besprechung – sei es persönlich oder in einer Videokonferenz – kann man eine Feedbackschleife einführen, die alle Dimensionen berücksichtigt, welche die Effizienz des Teams beeinflussen. Dafür wird im Voraus ein bestimmter Zeitraum eingeplant.
Mögliche Fragen könnten sein:
Wie zufrieden bin ich mit dem inhaltlichen Ergebnis?
Wie zufrieden bin ich mit dem methodischen Vorgehen?
Wie zufrieden bin ich mit der Vorbereitung?
Wie gut konnte ich mich selbst einbringen?
Jeder Teilnehmende bewertet das Treffen persönlich auf einer Skala von 1 (hervorragend) bis 4 (sehr unzufrieden) – absichtlich mit einer geraden Zahl, damit keine Zwischenstufe gewählt werden kann – und teilt den anderen seine Bewertung mit. In der für den letzten Teil geplanten Zeit des Treffens wird beurteilt, ob und wo Spannungen sichtbar werden, in welcher Form diese bearbeitet werden, wer die Verantwortung dafür übernimmt. Die Bewertungen der einzelnen Fragen werden in einem Kurzprotokoll festgehalten, nicht als Durchschnitt, sondern individuell. So wird deutlich, ob und wo Spannungen bestehen. Dann liegt es an den Beteiligten zu planen, wie sie mit diesen Erkenntnissen umgehen, um potenzielle Konflikte bereits an der Wurzel zu packen.
Rechtzeitiges Konfliktmanagement verhindert Eskalation
Viele Konflikte könnten vermieden werden, wenn unterschiedliche Interessen rechtzeitig erkannt und angesprochen würden. Wie wir gesehen haben, können regelmässige Feedbackschleifen helfen, Spannungen frühzeitig zu erkennen und zu bearbeiten. Dabei sollten wir stets bedenken, dass sich alles jederzeit ändern kann. Wir müssen flexibel und aufmerksam bleiben und uns auf Überraschungen einstellen. Ebenso haben wir die Möglichkeit, andere zu überraschen. Wir sollten bereit sein, unsere Denkweisen und vermeintlichen Normalitäten zu hinterfragen und gegebenenfalls anzupassen. Ein Perspektivenwechsel eröffnet neue Horizonte und trainiert uns in lebenslangem Lernen.
Fünf weitere praktische Tipps für Konfliktprävention in Teams
Klare Rollen und Verantwortlichkeiten: Stellen Sie sicher, dass jeder im Team seine Aufgaben und Verantwortlichkeiten genau kennt. Überprüfen Sie diese Zuordnungen von Zeit zu Zeit, da Veränderungen, gerade in agilen Teams, zum Alltag gehören. Rollenklarheit verhindert Missverständnisse und Überschneidungen, die zu Konflikten führen können.
Strukturierte Teambesprechungen: Halten Sie regelmässig kurze und gut vorbereitete Teammeetings ab, um den Austausch von Informationen und die Klärung von Missverständnissen zu fördern. Hier können auch potenzielle Konflikte frühzeitig erkannt und besprochen werden.
Empathie fördern: Ermutigen Sie Teammitglieder, sich in die Lage der anderen zu versetzen. Verständnis und Empathie sind Schlüssel zur Vermeidung und Lösung von Konflikten. Die Führungskraft sollte sich hier ihrer Vorbildfunktion bewusst sein und mit guten Beispiel voran gehen.
Zu Offenheit ermutigen: Konflikte anzusprechen erfordert Mut, da dies oft mit der Angst vor Konfrontation verbunden ist. Etablieren Sie Formate, die offene Kommunikation und das Ansprechen von Problemen fördern. Regeln wie Respekt vor jeder Meinung und keine negativen Konsequenzen schaffen ein sicheres Umfeld, in dem jeder seine Bedenken offen äussern kann.
Kulturelle Sensibilität: In internationalen Teams sollten kulturelle Unterschiede bewusst gemacht und respektiert werden. Dies fördert ein faires Miteinander.
Und schliesslich steht über allem, dass Geduld und Vertrauen in den Prozess entscheidend beim Lösen von Konflikten in Teams sind. Es braucht Zeit, um die tieferliegenden Ursachen eines Problems zu verstehen und nachhaltige Lösungen zu finden. Für eine nachhaltige Klärung ist es essenziell, allen Beteiligten Raum zu geben, ihre Perspektiven darzulegen und gemeinsam schrittweise Fortschritte zu erzielen, anstatt schnelle und möglicherweise kurzfristige Lösungen zu erzwingen.
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